Rede Miriam Staudte: Kinderschutz-Verbindliches Einladewesen

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Effektiver Kinderschutz braucht einen aktiven Staat, der Eltern in ihrer Erziehungsaufgabe unterstützt, der aber auch seinen Schutzauftrag –sein Wächteramt - wahrnimmt, dann wenn Eltern ihre Sorgepflicht nicht erfüllen. Wir müssen die Realität anerkennen, die Realität, dass Familien nicht immer ein Hort der Harmonie und Glückseeligkeit sind, wie CDU und FDP, dies zu lange geglaubt haben.

Ein Schritt zur Verbesserung des Kinderschutzes soll nun sein, die Teilnahmequote an den Früherkennungsuntersuchungen zu erhöhen.  Um die 90% der Eltern nutzen schon heute freiwillig das Angebot für die kostenlosen Untersuchungen beim Kinderarzt. Sorgen bereiten uns die 10% die wir bislang nicht erreichen. Wir sprechen bei dem Antrag heute zwar nicht über verpflichtende Frühuntersuchungen- wie wir Grünen sie gefordert haben- aber immerhin über ein verbindliches Einladewesen. Und die Unterschiede sind da marginal, denn in beiden Fällen besteht die Möglichkeit- und das ist der elementare Aspekt-, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jugendämter oder der Gesundheitsämter  zu Hausbesuchen kommen, wenn auf wiederholte Einladung keine Teilnahme erfolgt. Aber auch bei Thema verbindliches Einladewesen gilt: Ohne ein gesichertes Finanzierungskonzept geht es nicht. In einigen Jugendämtern wie in Lüneburg  gehören Überlastungsanzeigen der Mitarbeiter schon zum Alltag. Das kleine Saarland, das sich als erstes Bundesland zu Pflichtuntersuchungen entschied, war voraussichtig genug und hat zu diesem Zwecke das Personal mit zusätzlichen 1,5Mio.€ verstärkt. Doch wo sind in diesem Antrag von CDU und FDP die  finanziellen Zusagen für Landesmittel? Die Kommunen können die Personalkosten, die durch die zusätzlichen Hausbesuche entstehen, nicht allein schultern. Es ist ja absolut richtig, dass die Kinderrechte  in diesem Zusammenhang erwähnt werden, aber da wir uns -wie wir vorgestern festgestellt haben- noch nicht auf eine Formulierung verständigt haben, muss es natürlich zunächst unter Spiegelstrich eins heißen: "Ein Artikel zu Kinderrechten wird in die Landesverfassung aufgenommen." Nicht mehr und nicht weniger. Sie haben sicherlich in Erinnerung: Wir brauchen einen abgestimmten Vorschlag, der die Chance hat, eine 2/3-Mehrheit zu erhalten.

Ob wir mit dem verbindlichen Einladewesen – das Kern dieses Antrags ist- Erfolge erzielen, wird nur der Praxistest zeigen.

Einen Fehler dürfen wir nun allerdings nicht begehen,  nämlich uns in falscher Sicherheit wähnen. Selbst wenn 100% der Kinder die Frühuntersuchungen wahrnehmen, heißt das nicht, dass zwischen den Intervallen, die ja zum Teil länger als ein Jahr sind,  keine Misshandlungen mehr stattfinden. Verbindliche Frühuntersuchungen sind wirklich nur ein Baustein im Gesamtkonzept Kinderschutz. Aber wo ist denn eine finanzielle Landesförderung der Familienhebammen, die sie ja so gerne loben? Das Land zahlt zwar die Schulung für die Familienhebammen, aber an den laufenden Personalkosten beteiligt es sich nicht. Mit einer Million € an dieser Stelle könnte das Land viel Lorbeeren ernten und die Situation von gefährdeten Kindern tatsächlich verbessern!

Auch muss die Ausbildung von Erziehern und Sozialarbeitern im diagnostischen Bereich verbessert werden. Das Gegenteil ist der Fall, wenn die Studiencurricula  von Sozialarbeitern wie dies gerade geschieht um die medizinischen Anteile erleichtert werden.

Wir brauchen eine bessere Betreuungssituation in den Kindertagesstätten. Die Erzieherinnen haben bei Gruppengrößen von 25 Kindern schlichtweg nicht genug  Zeit für Elterngespäche!

Nichts desto trotz: Wir Grünen begrüßen den Entschließungsantrag der Mehrheitsgruppe- als einen ersten Schritt für Mehr Kinderschutz in Niedersachsen, aber tun sie uns einen Gefallen, beenden sie ihre Politik der bloßen Ankündigungen:

Stellen Sie nicht nur Entschließungsanträge: Entschließen sie sich auch mal für etwas!

Wir warten auf einen Gesetzentwurf, der die Früherkennungsuntersuchungen so verbindlich wie möglich regelt!

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